Interview mit „Heinde & Verre"

Im Gespräch mit Jan-Willem und Ewald vom Bean to Bar
Schokoladenhersteller Heinde & Verre aus Rotterdam

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Jan-Willem Jekel und Ewald Rietberg von Heinde & Verre beim Kakaorösten.Unsere Fragen rund um den Bean to Bar Schokoladenhersteller Heinde & Verre wurden von dessen Gründern Jan-Willem Jekel und Ewald Rietberg beantwortet. Das Interview entstand im Dezember 2021 / Januar 2022.

Eine Auswahl der Schokoladen von Heinde & Verre kann auch in unserem Onlineshop bestellt werden.

Firma / Marke: Heinde & Verre
Inhaber und Gründer: Jan-Willem Jekel und Ewald Rietberg
Jahr der Gründung: 2015
Beginn der Bean to Bar Produktion: 2019
Webseite: www.heindeverre.com
Firmensitz: Teilingerstraat 130, 3032 AW Rotterdam, Niederlande
Mitarbeiter: 2 Vollzeit + 3 Teilzeit

Was für Bean to Bar Produkte werden hergestellt:
Tafeln, Trinkschokolade, Kuvertüre
Was für andere Produkte werden hergestellt: keine

Wie kamt Ihr dazu Bean to Bar Schokolade herzustellen? Gab es einen besonderen Auslöser dafür?

Jan-Willem ist ein hochqualifizierter und erfahrener Pâtisserie-Enthusiast, Ewald hat einen Abschluss der Dutch Wine Academy (registrierter Vinologe). Wir sind Gastronomie-Enthusiasten, Schokoladenliebhaber und seit vielen Jahren unternehmen wir gemeinsam kulinarische Reisen.

Im Jahr 2014 wurden wir immer mehr fasziniert von der Entstehung der Bean-to-Bar-Bewegung in den USA mit Dandelion als einem der Pioniere. Bei einem unserer kulinarischen Ausflüge am Flughafen von Bergamo kauften wir eine Schokoladentafel, nur um die Zeit totzuschlagen. Wie immer waren wir sehr enttäuscht von der Qualität der Schokolade. Das war der entscheidende Moment um zu dem Schluss zu kommen, dass es möglich sein muss, auch in Europa bessere Schokolade herzustellen. Im Flugzeug auf dem Heimweg einigten wir uns darauf, etwas dagegen zu unternehmen und eine Bean-to-Bar-Fabrik zu gründen.

Wir kauften einige Bean-to-Bar-Geräte in Laborgröße und begannen bei Ewald zu Hause in Amsterdam zu üben. Der preisgekrönte Schokoladenhersteller Duffy (Red Star) war so freundlich, uns in seine Fabrik einzuladen, sodass wir eine Vorstellung davon bekamen, was nötig war, um als Bean-to-Bar-Schokoladenhersteller anzufangen. Wir haben ein paar Jahre in Teilzeit gearbeitet, um die Herstellung von Schokolade zu üben und unsere Rezepte zu entwickeln. Irgendwann hat Ewalds Frau ihr Zimmer zurückgefordert, unsere Schokoladenmaschinerie musste wieder Platz machen für ihre wachsende Sammlung an Schuhen und Geldbörsen.

Wir haben einen Ort in Rotterdam gefunden, um eine Testfabrik aufzubauen, um zu sehen, ob der Markt an unseren Produkten interessiert ist. Wir haben immer noch Muster der allerersten Schokoladen, die wir 2014 und 2015 produziert haben: Costa Rica, Finca Amistad und Java Light Breaking.

Heinde & Verre Bean to Bar Schokolade

Welches Ziel, welche Vision von Schokolade hast Du, die Du mit Deiner Schokolade umsetzen möchtest?

Unser Hauptziel ist es, unseren Kunden ein einzigartiges, ausgewogenes und natürliches Geschmackserlebnis zu bieten. Wir hoffen, dass die Verbraucher mehr auf die Qualität der Schokolade achten, die sie konsumieren.

Wichtige Voraussetzungen für unseren Produktionsprozess sind:

  • Jede Person, die zum Produkt beiträgt, sollte einen fairen Anteil vom Erlös erhalten. Insbesondere Kakaobauern sind bei den meisten Mainstream-Schokoladenmarken am falschen Ende der Wertschöpfungskette. Wir sind fest davon überzeugt, dass der beste Weg, Kakaobauern in den Entwicklungsländern zu helfen, darin besteht mehr Craft Chocolate zu verkaufen und einen angemessenen Preis für die Kakaobohnen zu zahlen. Aber es ist auch entscheidend, Kakaobauern dabei zu helfen, die Qualität der landwirtschaftlichen Praktiken und die Verarbeitung der Kakaobohnen nach der Ernte (Fermentation und Trocknung von Kakao) zu verbessern.

  • Ein nachhaltiger ökologischer Fußabdruck unserer Schokolade. Der gesamte Kakao, den wir verwenden, ist biologisch zertifiziert, ebenso wie die meisten Zutaten. Heinde & Verre bedeutet nah und fern: Neben dem Kakao aus der Ferne verwenden wir lokale niederländische Produkte (Rübenzucker, holländische Milch).

Was unterscheidet Eure Schokolade (oder auch Euer Unternehmen) ganz besonders von anderen?

Als Weinliebhaber achten wir bei unseren Schokoladen auf ausgewogene Aromen. Nicht nur ein oder zwei dominante Fruchtaromen, sondern ein komplexes – reichhaltiges – Set von Geschmäckern, Aromen und einem angenehm anhaltenden Nachgeschmack. Wir möchten unseren Ansatz als „Innovation auf der Grundlage von Geschmackstraditionen“ zusammenfassen.

Eines der besten Komplimente, die wir bisher bekommen haben, kam von Sharon Terenzi (The Chocolate Journalist) in einer Rezension unseres Dutch Blend Dark im Jahr 2020: „praktisch die Hälfte des Geschmacksrads“ und „… es ist, als ob der Schokoladenhersteller auf magische Weise die gleiche Mengen von jedem Aroma hineingegeben hat“.

Der Schlüssel liegt darin, Kakaobohnen von bester Qualität zu beziehen. Darüber hinaus haben wir eine Reihe von Techniken entwickelt, um dies zu erreichen, von denen wir hoffen, dass sie als unser charakteristischer Stil anerkannt werden:

  • Mischung verschiedener Ursprünge. The Dutch Original ist eine Mischung aus drei Ursprüngen. Durch das Mischen von Kakao unterschiedlicher Herkunft ist es möglich, eine vollständigere und ausgewogenere Geschmacksreise zu schaffen.

  • Multi-Röstung / Mehrfachröstung: Verschiedene Chargen derselben Bohnen erhalten unterschiedliche Röstprofile, um unterschiedliche Aromen hervorzuheben. Die Chargen werden dann in einer Schokolade kombiniert, um mehr Komplexität zu schaffen. Der Bold Brazil ist ein Beispiel für diese Technik, ebenso wie der Piura Dark 71%.

  • Schokolade reifen statt conchieren. Während das Conchieren am besten mit dem Dekantieren eines Weins verglichen werden kann, der zu jung ist, um ihn voll zu genießen (es bringt direkte und offensichtliche Aromen zum Vorschein), hat das Altern von Schokolade einen ähnlichen Effekt wie das Altern der Weinflasche: sekundäre und tertiäre Aromen entwickeln sich und der Nachgeschmack wird länger. Die gealterte Porcelana Schokolade war ein Beispiel dafür.

  • Reifung im Solera-Stil: Manchmal mischen wir auch verschiedene Chargen desselben Kakaos, die unterschiedlich lange gereift sind. Zum Beispiel der Aged Noble Bali war eine Komposition aus 2-jähriger, 1,5-jähriger und 1-jähriger Schokolade.

Wir lassen uns von ehemaligen niederländischen Qualitätsschokoladenmarken inspirieren: Ringers, Korff, Bensdorp, Kwatta*, Van Houten, Droste, Driessen, Kwatta usw. Die meisten von ihnen haben aufgehört zu existieren, haben ausländische Aktionäre und alle haben leider die Produktion von Schokolade in den Niederlanden eingestellt. Wir hoffen, niederländische Qualitätsschokolade zu verjüngen. Das Geschmacksprofil unserer Schokolade wurde in der niederländischen Geschmackstradition entwickelt: eine etwas leichtere Röstung als bei französischen und belgischen Schokoladen und ein weniger schweres Geschmacksprofil.

AoC Gold für die Piura Peru Weiße Schokolade von Heinde & VerreWas unsere Marke schließlich auszeichnet, ist unsere Liebe zu dunkler und Milchschokolade. Wir arbeiten nicht nur mit verschiedenen Arten von Kuhmilch (z. B. Buttermilch in der Balmy Brazil), sondern haben auch eine eigene vegane Milchalternative entwickelt, um den Eigenschaften traditioneller Milchschokolade aus Kuhmilch so nahe wie möglich zu kommen. Unsere Dutch Vegan Mylk hat dieses Jahr (2021) eine Goldmedaille und unsere Bali Vegan Mylk Silber bei der Academy of Chocolate (AoC) gewonnen und zwar in der Wettbewerbskategorie Milchschokolade! Auch unsere natürliche weiße Schokolade mit unserer hauseigenen peruanischen Piura-Kakaobutter und holländischer Kuhmilch gewann eine Goldmedaille bei der AoC (Gold Piura White).

Welche Maschinen / Verfahren setzt Ihr zum Mahlen ein? (z.B. Melangeur, Kugelmühle, Walzwerk ...)

Eine eigens entwickelte Vormühle und vier verschiedene Arten / Größen von Stein-Melangeuren.

Mit dieser Kombination haben wir die Möglichkeit, die Vorteile von steingemahlener Schokolade zu kombinieren, bei der gleichzeitig conchiert und gemahlen wird, und gleichzeitig die Möglichkeit zu schaffen, die Conchierzeiten zwischen 10 Stunden und 3 Tagen zu variieren.

Conchiert Ihr Eure Schokolade und wenn ja, wie und warum? Oder auch warum Conchiert Ihr nicht?

Ja, wir conchieren unsere Schokolade in den Steinmühlen. Für den Fall, dass wir unsere Schokolade reifen lassen, conchieren wir die Schokolade nicht. Stattdessen ersetzt ein langsamer Prozess der Geschmacksentwicklung durch Alterung das Conchieren.

Setzt Ihr für Eure Schokoladen zusätzliche Kakaobutter ein? Und wird diese auch selbst produziert?

Ja, wir verwenden natürliche Kakaobutter in unserer Schokolade. Wir tun dies, weil der natürliche Fettanteil einer Kakaobohne ungefähr 50 % beträgt. So würde eine Zwei-Zutaten-Schokolade mit 70 % Kakao und 30 % Zucker jedoch nur 35 % Fett enthalten. Wir glauben, dass letzteres nicht das optimale Rezept ist, um subtile und komplexe Geschmacksrichtungen und Aromen freizusetzen.

Die Kakaobutter für die Gold Piura White Tafel wird eigens für uns in Peru gepresst. Für andere Riegel verwenden wir eine hochwertige Kakaobutter aus Venezuela.

Wie groß ist Eure Produktion?

Wir verwenden aktuell folgende Stein-Melangeure:

  • 2 Melangeure mit einer Kapazität von 45 kg in 72 Stunden

  • 1 Melangeur mit einer Kapazität von 30 kg in 48 Stunden

  • 1 Melangeur mit einer Kapazität von 10 kg in 24 Stunden

  • 3 Melangeure mit einer Kapazität von 4 kg in 24 Stunden

  • 1 Vormühle, die bis zu 25 kg pro Stunde mahlt, was die Zeiten in den oben genannten Steinmühlen um bis zu 25 % reduzieren kann.

Was macht Eure Rohstoffe (insbesondere Kakaobohnen) aus und wie bezieht Ihr diese?

Am Anfang kauften wir unseren Bali-Kakao direkt von der Plantage, aber dieses Modell ist nicht skalierbar: zu teuer (Import relativ kleiner Chargen) und wir hatten nicht genug Zeit für Qualitätskontrolle und Lieferantenmanagement.

Jetzt beziehen wir Kakao von Plantagen zusammen mit einigen ausgewählten Geschäftspartnern, die darauf spezialisiert sind, Kakao auf transparente Weise direkt von Plantagen und Kooperativen zu beschaffen und zu importieren, mit möglichst wenig „Zwischenhändlern“: Crafting Markets, Daarnhouwer, Silva Cacao, Gaia Cacao, Biji Cacao, Cacao Latitudes. Kurz gesagt, wir bleiben in direktem Kontakt mit den Landwirten, nutzen aber Partner, um die Logistik abzuwickeln.

Werden für Schokoladenprodukte ausschließlich Bean to Bar Produkte verwendet oder auch Produkte aus zugekauften Halbfabrikaten hergestellt?

Nein, wir verwenden keine Halbfabrikate. Alle Produkte beginnen mit der Bohne.


* Wie die alte niederländische Marke Kwatta unsere Familie ganz persönlich mit der Schokolade von Heinde & Verre verbindet könnt ihr im Blog unserer Schokoladenmanufaktur nachlesen: Warum Ur-Oma und Ur-Enkelin uns Bean to Bar Schokolade aus Holland bescheren