ADORE Projekt fördert Entwicklung in Sierra Leone

Großes Projekt für Kakaoanbau und Schokoladenproduktion in kleinem westafrikanischen Kakaoanbauland
12. April 2021 durch
Arne Homborg

Mit einer Ernte von rund 18.000 Tonnen Kakaobohnen pro Jahr gehört Sierra Leone zu den kleinen Kakaoanbauländern. Für Sierre Leone ist der Kakaoanbau allerdings von großer Bedeutung. Kakao ist das wichtigste landwirtschaftliche Exportprodukt des Landes und mehr als 60.000 Farmer im Süden und Osten des Landes leben vom Kakaoanbau. Kommerziellen Kakaoanbau gibt es in Sierra Leone etwa seit den späten 1940er Jahren, als die Kolonialregierung den Kakaoanbau einführte. Nach der Unabhängigkeit begann das Land in den 1970er Jahren mit dem Ausbau der Kakaoproduktion. Ein langer Bürgerkrieg reduzierte den Kakaoexport auf 1.200 bis 2.000 Tonnen pro Jahr (2002), von diesem Rückgang hat sich das Land langsam erholt. 2015 wurden auf einer Fläche von 3,16 Millionen Hektar Kakaoanbau betrieben. Die durchschnittliche Farmgröße liegt bei 1 bis 2,5 Hektar. Der Ertrag pro Hektar etwa bei 142 kg im Jahr.

Bislang gibt es vor Ort keine bedeutende Verarbeitung der Kakaobohnen und auch die Qualität der Nachernteverarbeitung ist oft nicht besonders gut. An diesen Zuständen möchte das ADORE Projekt (Agribusiness Development from Organic Resources) etwas ändern und damit die Lebensverhältnisse der Menschen in Sierra Leone nachhaltig verbessern.

Hier stellen wir das ADORE Projekt vor und sprechen mit Projektleiterin Ulrike Bongartz über die Pläne für Sierra Leone.

ADORE - Wer steht hinter dem Projekt?

Das ADORE Projekt des Boosting Agriculture & Food Security (BAFS) Programms der Europäischen Union wurde im Dezember 2019 begonnen und ist auf vier Jahre angelegt. Die Finanzierung erfolgt zu 75 Prozent durch die Europäische Union und zu 25 Prozent durch die Welthungerhilfe und Door-to-Europe. Insgesamt werden in Sierra Leone bis zu 3,4 Millionen Euro investiert. Zu den bereits genannten Projektpartnern kommen zahlreiche weitere Projektpartner, mehr zu diesen weiter unten.

Kakaoanbau in Sierra Leone - ADORE Projekt

Ziele von ADORE

Die Lebensverhältnisse der Menschen in Sierra Leone und damit die gesamte Entwicklung des Landes sollen verbessert werden. Dazu soll zum einen die Qualität des exportierten Kakaos verbessert werden, vor allem aber in einer eigenen Fabrik Kakaohalbfabrikate und Schokolade für den heimischen Markt und den Export hergestellt und so ein Mehrwert vor Ort geschaffen werden.

Die Pläne von ADORE

Wir sprachen mit der Projektleiterin Ulrike Bongartz von der Welthungerhilfe über die Pläne von ADORE. Ulrike Bongartz verfügt über einschlägige Erfahrungen, war mehrere Jahre für den Deutschen Entwicklungsdienst in Landwirtschafts- und Forstprojekten unter anderem im Kakaoanbau in Ecuador tätig und leitete als Mitinhaberin eine eigene Schokoladenfirma in Frankreich.

Kakaoanbau in Sierra Leone - ADORE Projekt

Bio und Agroforstsysteme

Wichtiger Baustein des Projektes ist die Bio Produktion. Zwar erfüllt der Kakaoanbau in Sierra Leone überwiegend die Anforderungen, es fehlt allerdings überall an der Zertifizierung. Diese soll im Rahmen von ADORE durchgeführt werden. Darüber hinaus soll der Kakaoanbau in Agroforstsystemen erfolgen. Projektpartner bei der Bio Zertifizierung von der Plantage bis zur Verarbeitung ist IFOAM Organics International.

Wird die Bio Zertifzierung und die Einführung von Agroforstsystemen zur Pflicht für die teilnehmenden Farmen?

Ulrike Bongartz: „Genau richtig, Pflicht und es wird umgestellt, was im Prinzip hier nur eine Formalität ist, da es fast überall sowieso „organic by default“ ist.“

Das gleiche gilt für Agroforstsysteme?

Ulrike Bongartz: „Ja, wir arbeiten gerade mit der Njala University zusammen, Studenten entwickeln auf Basis einer Ausschreibung Agroforst Versuchsflächen, in die sie potentielle Schokoladenzutaten und Nutzpflanezn für die Ernährung der Familien einbauen, sowie Stickstoff fixierende Pflanzen. Wir wählen dann zwei verschiedene Vorschläge aus. Diese Studenten bekommen dann eine Praktikumsstelle im Projekt um ihren Vorschlag selbst umzusetzen. Agroforstsysteme bestehen hier generell sonst nur aus Kakao, Bananen und Ananas oder eventuell Maniok, es fehlt an einem echten Konzept.“

Soziale Standards

Die Projektbeschreibung von ADORE sieht die Einhaltung von sozialen und ethischen Standards ein. Im Rahmen des Projektes soll sichergestellt werden, dass es dagegen auf den Plantagen keine Verstöße wie ausbeuterische Beschäftigung oder illegale Kinderarbeit gibt.

Wird es für die Einhaltung von sozialen Standards eine vom Projekt unabhängige Kontrolle oder Zertifizierung geben?

Ulrike Bongartz: „Als zweiter Schritt eine Fairtrade-Zertifizierung. Kinderarbeit ist natürlich tabu. Und unsere Feldmitarbeiter sind natürlich ständig in Kontakt mit den Bauern, sind vor Ort, d.h. da ist eine gewisse Kontrolle vorhanden.“

Kakaoanbau in Sierra Leone - ADORE Projekt - Kakaobohnen trocknenDie Projektarbeit auf der Plantage

Neben Aufgaben wie der Bio Zertifizierung, der Entwicklung von Agroforstkonzepten und der Einführung von Rückverfolgbarkeitssystemen gibt es ganz konkrete praktische Arbeiten auf den Plantagen. Im Zentrum steht dabei die Organisation und die Verbesserung der Fermentation um künftig höhere Preise für den Kakao erzielen zu können. So wird derzeit an optimalen Fermentationsmethoden gearbeitet um ein möglichst gutes Aromaprofil zu erreichen.

Wer kümmert sich vor Ort um die Fermentation?

Ulrike Bongartz: „Unsere beiden Projektpartner MOAWOMA und Lizard Earth sind für die zentralisierte Fermentierung verantwortlich und Zoto BV berät uns zur Zeit. Wir bilden Techniker auf Gemeindeebene aus, die die Prozesse dann zentralisiert leiten sollen.“

Zu den Projektpartnern:
MOAWOMA ist eine lokale Organisation von Frauen im Kakaoanbau mit über 5.000 Mitgliedern. Sitz ist in Kenema (Sierra Leone), die Organisation bietet ihren Mitgliedern zahlreiche Dienstleistungen und eine zentralisierte Fermentation.
Lizard Earth ist ebenfalls eine lokale Organisation die sich um die zentralisierte Fermentation von Kakao kümmert.
Zoto ist ein belgisches Familienunternehmen das auf die Beratung von Kakaoprojekten spezialisiert ist.

Die MOAWOMA Kooperative unterstütz das Projekt nur, oder sind die mitarbeitenden / zuliefernden Farmer alle Mitglied in der Kooperative? Wenn nicht alle dort Mitglied sind, soll dann eine neue „Adore“-Kooperative entstehen?

Ulrike Bongartz: „Die Bauern sind Mitglieder der Kooperative. Auf lange Frist sollen “Unterorganisationen” entstehen, mit eigener Struktur, eigenem Mikrokreditsystem, und zusätzlichen Geschäftsmöglichkeiten wie eventuell Herstellung von weiteren Zutaten für die Schokolade.“

Kakaoanbau in Sierra Leone - ADORE Projekt - Kakaofrüchte am BaumWas für Kakaosorten werden vor Ort angebaut? Was sind typische Kakaoaromen in Sierra Leone?

Ulrike Bongartz: „Es wird angenommen, dass der Kakao denselben brasilianischen Ursprung hat wie die westafrikanische Sorte „Amelonado“, die über Sao Thomé und Fernando Poo in Afrika angekommen sind. Berichten zufolge gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwei Einführungen von Saatgut / Setzlingen aus Ghana, aber der vorherrschende kultivierte Typ war und ist „Amelonado“. Anfang der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts erfolgte noch einmal eine größere Einführung von „Upper Amazon“ Samen aus Ghana.

Mit Zoto machen wir auch gerade ein „Phenotype Farm Screening“, die Ergebnisse stehen noch aus. Es gibt hier hauptsächlich Amelonado und dann noch etwas das man hier Amazon nennt. Aber dazu gibt es auch keine echten Daten.

Über das angestrebte Flavour Profile verrate ich mal noch nichts, dazu ist es noch zu wage und es wäre ja auch schade, es zu früh zu verraten.“

Ist es geplant im Rahmen der Qualitätsentwicklung den Anbau bestimmter Sorten zu unterstützen?

Ulrike Bongartz: „Ja, zusätzlich zum Farm Screening identifizieren wir auch sogenannte Mutterbäume, die dann durch air-layering (Luftsenkervermehrung) in “Klongärten” multipliziert werden sollen.“

Die eigene Schokoladenfabrik von ADORE

Kern des Projektes ist es mit einer eigenen Schokoladenfabrik einen größeren Teil der Wertschöpfungskette in Sierra Leone zu behalten. Geplant sind laut Projekt die jährliche Produktion von 50 Tonnen Schokolade und 250 Tonnen Kakaomasse.

In welcher Qualitätsklasse soll die Schokolade mitspielen? Kannst du vergleichbare Hersteller nennen, was die Qualität angeht?

Ulrike Bongartz: „Mittelklasse, da wir zwar bio, fair und made in Sierra Leone sind und auch die Fermentierung und das Flavour Profile top sein sollen, wir aber im Land nicht über Top-Kakaosorten verfügen. Die Ethik und Story sind top und an der Qualität arbeiten wir zur Zeit mit Zoi Papalexandratou von Zoto als externen Berater.“

Was sind die Zielmärkte für die fertige Schokolade? Und wenn das Sierra Leone ist, wie sieht es dort mit dem Schokoladenkonsum und der Bekanntheit von Schokolade überhaupt aus?

Ulrike Bongartz: „Zielmärkte sind zum einen der lokale Markt, in dem es keine lokale Schokolade gibt bisher. Und dann natürlich Europa, zuerst Spanien (Sergio Codonyer, der Organic Africa Chocolate gegründet hat, ist aus Katalonien) mit einem Flagship Store in Barcelona downtown, und Präsenz in zum Beispiel ausgewählten Supermärkten. Später auch Deutschland, Frankreich etc. und dann USA.“

Auf welche Kundschaft zielt Ihr mit der Kakaomasse?

Ulrike Bongartz: „Es wird sich eher um Kuvertüre handeln, also direkt einsetzbar. Und damit sind natürlich Schokoladenhersteller angesprochen.“

Rund 300 Tonnen Schokoladenprodukte im Jahr ist eine ganze Menge. Ist die Finanzierung einer solchen Fabrik bereits durch die Projektkosten abgedeckt?

Ulrike Bongartz: „Ja.“

Wer wird am Ende Eigentümer der Fabrik? Die Farmer?

Ulrike Bongartz: „Natürlich soll die Fabrik am Ende übergeben werden, and wen und wie, daran arbeiten wir zur Zeit … an der sogenannten „exit-strategy“.“

Wie viele Arbeitsplätze sollen vor Ort entstehen?

Ulrike Bongartz: „In der ganzen Wertschöpfungskette mindestens 100.“

Soll daneben auch weiter Rohkakao verkauft werden und wenn ja in welcher Menge?

Ulrike Bongartz: „Ja sicher: der Projektentwurf sagt 1.000 Tonnen.“

Das Interview mit Ulrike Bongartz entstand von Januar bis März 2021.


Kontaktmöglichkeiten zu den Projektbeteiligten

ADORE auf der Seite der Welthungerhilfe: Projektseite Sierra Leone Welthungerhilfe

Ansprechpartner
Welthungerhilfe: Ursula Langkamp: ursula.langkamp@welthungerhilfe.de

Lizard Earth: Daniel Scholler: daniel.scholler@lizard-earth.com

Organic Africa Chocolate: Sergio Codonyer: sergio@doortoeurope.com

Arne Homborg 12. April 2021
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