Theobroma Bicolor - die Rückkehr der fast verlorenen Schwester des Kakaos

Canopy Bridge wiederbelebt die Nutzung von „Macambo“ und schafft Mehrwert für Farmer und Umwelt in Ecuador
11. Oktober 2024 durch
Arne Homborg

MacambobohnenTheobroma Bicolor ist ein enger Verwandter des Kakaobaums (Theobroma Cacao) und ist in Ecuador unter dem Namen Macambo bekannt. Andere Namen die für ihn verwendet werden sind Patasmuyu, Kila, Wakam, Bacao und Cacao Blanco, Pataxte, Balamte und „Jaguar-Kakao“. Wie der Kakaobaum stammt er ursprünglich aus Südamerika und kam vermutlich zusammen mit diesem nach Norden bis Mexiko. Trotz seiner leckeren Samen und seiner Ähnlichkeit zum Kakao ist der Macambo in den letzten Jahrzehnten immer mehr in Vergessenheit geraten. Das junge Unternehmen Canopy Bridge aus Ecuador arbeitet seit 2016 daran, den Macambo zurück in das Bewustsein von Farmern und Verbrauchern zu bringen um einen Mehrwert für die Farmern, die Biodiversität und letztlich auch die Konsumenten die ein weiteres Genussmittel erhalten zu schaffen. Wir haben mit den beiden Canopy Bridge Gründern Jacob Olander und Marta Echavarria über Macambo gesprochen und möchten euch hier auf eine Reise in die Welt des Macambo in Ecuador mitnehmen.

Canopy BridgeCanopy Bridge - vom Urwald auf den Tisch

Mit Canopy Bridge verfolgt Jacob Olander eine ganze Reihe von Zielen, die wie am Beispiel des Macambo deutlich wird, alle ineinander greifen. Der Erhalt der Biodiversität und das Schaffen zusätzlicher Einkommensmöglichkeiten für Farmer die mit naturnahen Agroforstsystemen wirtschaften und darüber hinaus soziale Ziele, wie die Stärkung von Frauen in der Gemeinschaft zu fördern. Dazu arbeitet Canopy Bridge in einem Netzwerk mit anderen Non-Profit-Organisationen in der Region Napo zusammen und ist Mitgründer des Cumari-Netzwerkes, einer Bewegung aus Köchen, Gemeinschaften, Wissenschaftler, Unternehmen und Aktivisten, die sich für die Erhaltung und nachhaltige Entwicklung im Amazonas einsetzen und dafür nachhaltige lokal produzierte Lebensmittel auf den Tisch bringen möchten.

Zur Arbeit von Canopy Bridge gehört die Beratung und Schulung von Farmern, dann werden in der Firmeneigenen Versuchsküche (Canopy Lab) heimische Pflanzen auf ihre Nutzungsmöglichkeiten untersucht, Rezepte und Produkte entwickelt und schließlich nach potenziellen Kunden im In- und Ausland gesucht.

Der Amazonas beheimatet mehr als 40.000 Pflanzenarten, davon etwa 3.000 Arten von Früchten. Laut Canopy Bridge das weltweit größte unentdeckte Potential an neuen Lebensmitteln, das darauf wartet gehoben zu werden. Das Canopy Lab in Archidona (Napo, Ecuador) ist dabei die Verbindungsstelle zwischen Urwald und Verbrauchern. Hier wird zusammen mit lokalen Produzenten an neuen Produkten und Rezepturen gearbeitet um vor Ort einen Mehrwert zu schaffen und besser auf die Nachfrage von Märkten und Trends reagieren zu können. Canopy Bridge kooperiert dabei mit den lokalen indigenen Gemeinschaften der Kichwa, Siekopai und Ai'Cofán, die noch die traditionelle Anbau- und Lebensweise, Chakra genannt, betreiben.

Enma Alvarado zeigt eine kleine Auswahl an Amazonasprodukten.
Enma Alvarado zeigt eine kleine Auswahl an Amazonasprodukten. Foto: Eneritz Arce, Canopy Bridge

Im Falle von Macambo ist die Idee von Canopy Bridge bereits aufgegangen und inzwischen ist die komplette Kette von der Farm bis zu Exportmärkten in Nordamerika und Europa geschlossen. Umwelt und Farmer profitieren bereits in vielerlei Hinsicht von der Arbeit. So trägt das Projekt zur langfristigen Erhaltung es Regenwaldes bei, indem es nachhaltig und ökologisch angebaute Produkte der indigenen Bevölkerung zu den regionalen und internationalen Verbrauchern bringt.

Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Macambo und Kakao

In Ursprung und Verbreitung sind sich die beiden Schwestern noch sehr ähnlich und auch die Bäume haben eine gewisse Ähnlichkeit, auch wenn sie sich in Wuchs und Blättern leicht unterscheiden. Der Macambo hat zarte weiße Bohnen, die durch Rösten eine einzigartige, flockige Knusprigkeit entwickeln.

Da Farmer mit Macambo kaum Geld verdienen konnten, geriet die Pflanze mehr und mehr in Vergessenheit. Wärend es bei Kakao große Plantagen und Monokulturen gibt, wächst Macambo im traditionellen indigenen Agroforstsystem, das vor Ort Chakra genannt wird. Die meisten Macambo-Bäume die für Canopy geerntet werden sind zwischen 15 Jahre bis über 40 Jahre alt. Die Ernte ist einer der Punkte in denen sich der Macambo deutlich vom Kakao unterscheidet. Kakaofrüchte werden, wenn sie reif sind vom Baum gepflückt da sie sonst am Baum verderben würden. Deshalb werden Kakaobäume auf Farmen in Ecuador meist auf maximal 3 Meter Höhe gestutzt um alle Früchte erreichen zu können. Der Macambo dagegen darf in die Höhe wachsen und wird so bis zu 20 Meter hoch. Seine Früchte fallen herunter, wenn sie vollreif sind und müssen dann nur noch aufgesammelt werden.

Geöffnete Macambofrucht.
Geöffnete Macamborucht. Wie beim Kakao sind die Samen von Fruchtfleisch umgeben.

Die Zahl der Macambo Bäume auf Farmen ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr zurück gegangen. Es ließ sich kein Geld damit verdienen und auch die direkte Nutzung durch die Farmerfamilien geriet immer mehr in Vergessenheit. Denn auch in der traditionellen Küche spielte Macambo eine saisonale Rolle, mehr dazu später. Auch wenn Canopy Bridge den Macambo Anbau wiederbeleben möchte, es sollen auf keinen Fall Monokulturen wie bei Kakao entstehen und am traditionellen Anbau festgehalten werden. Marta Echavarria dazu: 

"Macambo wird nicht als Monokultur angebaut, wie es bei den meisten Kakaopflanzen der Fall ist. Wir sind sehr daran interessiert, es so zu belassen, indem die Macambo-Bäume zusammen mit einer Vielzahl anderer Pflanzen angebaut werden, darunter Kakao, Kochbananen, Maniok, Kaffee, Holzarten, essbare Palmen und eine große Auswahl an Obstbäumen. Dies ermöglicht es den Landwirten, die biologische Vielfalt auf ihren Betrieben aufrechtzuerhalten und ihre Familieneinkommen vielfältiger zu gestalten, um Risiken durch Marktschwankungen, Wetter sowie Schädlinge oder Krankheiten entgegenzuwirken.“

Wir sind Pioniere in der Vermarktung von Macambo, das zuvor noch nie kommerziell angebaut wurde. Wir schätzen, dass jährlich etwa 10-15 Tonnen Ernte aus bestehenden Pflanzungen mobilisiert werden könnten, und arbeiten in Partnerschaft mit anderen Organisationen wie Los Aliados, um den Baumartenanbau durch gezielte Bereicherung der Betriebe zu erhöhen."

Ein Vorteil den Macambo den Farmern gegenüber Kakao bietet: er ist auch noch in etwas höheren Lagen produktiv, in denen Kakao bereits nicht mehr Ertragreich ist. So profitieren auch Farmer für die Kakaoanbau keine Option ist.

Uli, der beim Canopy Bridge Partner „Los Aliados“ für Marktzugang und Strategie zuständig ist und von dem wir auch die ersten Produktproben des Macambo erhalten haben, interpretiert Macambo auf seine Art in diesem YouTube Video: „Der weiße Kakao, wie im Schlaraffenland“

Nach der Ernte geht Macambo einen anderen Weg

Schon die Ernte der reifen Früchte unterscheidet sich vom Kakao und danach geht es für den Macambo einen komplett anderen Weg. Während beim Kakao die Samen zusammen mit einem Teil des Fruchtfleisches fermentiert werden, gibt es beim Macambo keine Fermentation. Es wird streng darauf geachtet, das die Verarbeitung frisch und schnell erfolgt um am Ende hochwertigen Macambo zu erhalten. Die Samen des Macambo werden noch auf der Farm vom Fruchtfleisch befreit und von Hand geschält.

„Die äußere Samenschale könnte zwar gegessen werden, aber wir haben festgestellt, dass sie bei der Röstung zu Oxidation und einer unerwünschten Veränderung des Geschmacksprofils führt, wenn wir sie vorher dranlassen. Außerdem haftet sie sehr hartnäckig an den Samen, sodass das Entfernen sehr arbeitsintensiv ist.“, begründet Olander diesen Arbeitsschritt.

Danach wird der Macambo um Frische zu garantieren innerhalb weniger Stunden zur Verarbeitungsanlage von Canopy in Archidoa gebracht.

Vorbereitung zum Rösten des Macambo bei Canopy Bridge.In Archidoa werden zwei Varianten Macambo produziert. Eine bei niedrigen Temperaturen über längere Zeit getrocknete Variante und eine in kürzerer Zeit bei höheren Temperaturen geröstete Version. Geröstet wird bei 120°C bis 130°C für 10 bis 15 Minuten. Höhere Temperaturen, insbesondere über 150°C, kommen für Macambo nicht in Frage und führen zu sehr bitteren Geschmacksnoten.

Während die gerösteten Bohnen direkt als Snack geeignet sind, richtet sich Canopy mit den ungerösteten Bohnen vor allem an Chocolatiers und Verarbeiter, die die Röstung selbst durchführen und kontrollieren möchten, so wie sie es vom Kakao gewohnt sind.

Macambo Produkte - Heute und Früher

In Ecuador bietet Canopy eine Reihe von verzehrfertigen Macambo Snacks an. Es gibt den Macambo gesalzen, würzig, ungesalzen und mit 56 %iger Schokolade überzogen. Auch eine Art Praline die aus gemahlenen Macambo-Bohnen hergestellt wrid und einen "Schokoladen"-Überzug aus Macambo und Kakaobutter, anstelle von Kakaobohnen hat. Zudem gibt es einen streichfähigen Aufstrich aus Macambo, neutralem Öl und Zucker.

Weitere Verwendungsmöglichkeiten die Canopy getestet hat, sind zum Beispiel eine “Weiße Schokolade" aus Macambo, Kakaobutter und Zucker, sowie ein Macambo-Likör. Köche in Ecuador verwenden Macambo vor allem als Ersatz für andere Nüsse (z.B. Mandeln, Macadamia oder Pistazien). Das verweist auch auf einen weiteren größeren Unterschied zwischen Macambo und Kakao. Der Macambo ist im Aroma wesentlich milder als Kakao und erinnert im Geschmack eher an Nüsse wie Mandeln, Macadamia und Cashew. Dazu kommt eine leichte Süße und Noten von Melone und Butter. So wird eine Macambo-"Milch" statt Mandel-"Milch" in Desserts und Cocktails verwendet und die Bohnen sind eine knackige, geschmackvolle Garnitur für Salate und Suppen. Für Chocolatiers ist Macambo auch zur Herstellung veganer „Milch"-Schokoladen interessant.

Die Möglichkeiten des Macambo sind vielfältig. Jacob Olando nennt noch:

„Eine Nusscreme in Eiscremes, wobei die Fettsäurezusammensetzung sowohl in Milch- als auch in wasserbasierten Rezepturen funktioniert. Bei uns servieren wir ein köstliches spanisches Ajo Blanco, das auf Macambo statt Mandeln basiert."

Abpacken fertiger Macamboprodukte bei Canopy Bridge.
Als Snack zubereiteter Macambo wird bei Canopy Bridge verpackt.

In der traditionellen Küche wurde Macambo nur als saisonales Produkt verwendet, da er unter tropischen Bedingungen schlecht lagerbar ist. Während der 6 bis 10 wöchigen Erntezeit werden die Bohnen als Snack verwendet. Dazu werden sie auf Spießen geröstet, oder frittiert und gesalzen. Daneben wird Macambo in der ecuadorianischen Küche auch zusammen mit Chilischoten zu einer Paste verarbeitet, die zum Würzen anderer Speisen genutzt wird. Auch als eine Art Bohne in Suppen und Eintöpfen werden die frischen Bohnen verwendet.

Die traditionelle Nutzung nahm allerdings immer weiter ab, bevor Canopy aktiv wurde.

Jacob Olander: „Als wir anfingen, mit Macambo zu arbeiten, verloren die Familien die Tradition, die Bohnen zu konsumieren, wie es bei vielen anderen gesunden traditionellen Lebensmitteln der Fall war, und fällten oft alte „wertlose“ Bäume. Parallel zur Schaffung eines neuen Marktes für dieses Produkt freuen wir uns zu sehen, dass die Familien auch lokal ihren Konsum erhöhen.“

Neben dem Geschmack kann der Macambo auch mit seinem hohen Proteingehalt punkten. Eine 30 Gramm-Portion Macambobohnen liefert 10 % des empfohlenen täglichen Proteinbedarfs eines Erwachsenen.

Mehrwert für 450 indigene Farmer

Heute arbeitet Canopy Bridge mit über 450 indigenen Farmern zusammen, die über Hunderte von Quadratkilometern verteilt leben und mit ihnen gemeinsam erstmal Macambo kommerziell kultiviert. Neunzig Prozent dieser Bauern sind Frauen, und Macambo ermöglicht es ihnen, eigenes Einkommen zu erzielen, das sie typischerweise in die Bedürfnisse ihrer Familien wie Gesundheit und Bildung reinvestieren.

Damit trägt der Macambo zum Erhalt des traditionellen Chakra-Anbausystem der indigenen Bevölkerung bei und schützt so die Biodiversität im Amazonas. Die Farmerfamilien erhalten nicht nur ein zusätzliches Einkommen, sondern schätzen den Macambo auch wieder als Nahrungsmittel in der eigenen Küche. Mit Macambo ist es Canopy Bridge gelungen ein Produkt vom Amazonas Regenwald bis auf den Tisch der Verbraucher zu bringen und dabei soziale und ökologische Entwicklungen voranzutreiben.

Kontakt zu Canopy Bridge

Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten für interessierte Chocolatiers und Importeure auf der Webseite von Canopy Bridge. (Jacob Olander ist im November 2024 auf der Food Ingredients in Frankfurt und steht dort für persönliche Gespräche bereit.)

https://canopybridge.com

Bezug von Macambo in Europa

Derzeit gibt es nur wenige Angebote an Macamboprodukten in Europa. Der Edelkakaohändler Silva Cacao in Belgien bietet zum Beispiel für Chocolatiers und andere Betriebe eine leicht geröstete Macambo Version an: Silva Cacao

Bilder/Fotos: Canopy Bridge, Evan Marcus, Eneritz Arce, Ana Maria

Canopy Bridge hat auch ein kurzes Video über Macambo vom Urwald zum Esstisch erstellt:


Arne Homborg 11. Oktober 2024
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